BTR-Blog

Grünland ist kein Ackerland


veröffentlicht am: 30. Juli 2018

Anmerkungen zum Urteil des BGH vom 28.04.2017, Az.: LwZR 4/16. Der BGH stellt darin die Kriterien auf, nach denen der Pächter von Ackerland bei der Rückgabe der Pachtsache für die Entstehung von Dauergrünland schadensersatzpflichtig ist.


Sachverhalt (Auszug):

Der Beklagte pachtete im Jahr 2000 drei Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung. In dem Pachtvertrag waren die Flächen tabellarisch aufgeführt. Die Spalte „Nutzung“ wies für diese Flächen jeweils ein „A“ aus. Der Pachtvertrag verpflichtete den Beklagten, die Prämienrechte zu erhalten und bei Pachtende „nach den dann geltenden gesetzlichen Bestimmungen“ zurück zu gewähren. Hierzu sah der Pachtvertrag vor, dass der Beklagte jährlich den Grundantrag stellt und darin das Grünland als Ackergrünland angibt. Zu Beginn des Pachtverhältnisses war es rechtlich zulässig, Grundstücke in Ackerland umzuwandeln. Die Dauer der Nutzung als Grünland war hierfür nicht maßgeblich. Der Pachtvertrag war zunächst auf 12 Jahre befristet. Der Verpächter übergab dem Beklagten die Pachtflächen zu Beginn als Grünland. Ihm war bekannt, dass der Beklagte die Pachtflächen während der gesamten Pachtzeit als Grünland zur Pferdehaltung nutzt. Die Pachtvertragsparteien waren beide nicht in der Landwirtschaft tätig.


Während der Pachtdauer haben sich die rechtlichen Verhältnisse geändert. Wurden Grundstücke länger als fünf Jahre als Grünland genutzt, unterfielen sie als Dauergrünland einem landesrechtlichen Umbruchverbot. Zudem fielen die Pachtflächen vollständig ein im Jahr 2007 ausgewiesenes Europäisches Vogelschutzgebiet sowie teilweise in ein 2010 ausgewiesenes FFH-Gebiet. Dies hatte zur Folge, dass ein Grünlandumbruch nur durch den Nachweis von Ersatzflächen in demselben Vogelschutz- bzw. FFH-Gebiet zulässig gewesen wäre.


Der Verpächter starb vor dem Ende des Pachtverhältnisses. Er wurde von der Klägerin beerbt. Diese war ebenfalls nicht landwirtschaftlich tätig. Der Pachtvertrag endete durch Kündigung. Nach dem Ende des Pachtverhältnisses gab der Pächter die Pachtflächen mit dem Status als Dauergrünland zurück. Die Klägerin verpachtete die Flächen sodann an einen Landwirt weiter. Der Landwirt zahlte eine Pacht, die ca. 300,00 EUR/ha unter der erzielbaren durchschnittlichen Pacht für Ackerland lag.


Die Klägerin ließ von einem Sachverständigen den Schaden wegen des verlorenen Ackerstatus ermitteln. Der Sachverständige errechnete eine Verkehrswertdifferenz von ca. 170.000,00 EUR. Die Klägerin forderte von dem Beklagten u. a. diese Summe als Schadensersatz für die erlittene Wertminderung der Pachtflächen. Das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – und das Oberlandesgericht haben den Beklagten zum Schadensersatz verurteilt. Die Richter haben den Schaden jedoch nicht anhand der Verkehrswertdifferenz sondern anhand der auf 25 Jahre kapitalisierten jährlichen Pachtwertdifferenz ermittelt. Danach habe die Klägerin einen Schaden in Höhe von ca. 100.000,00 EUR erlitten.


Der Beklagte begehrt mit der Revision vor dem BGH die Abweisung der Schadensersatzklage.


Entscheidung:

Die Revision des Beklagten war nicht erfolgreich. Der BGH war ebenfalls der Auffassung, dass der Beklagte seine Pflichten aus dem Pachtvertrag schuldhaft verletzt habe. Daher sei er der Klägerin dem Grunde nach gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.


Die Richter stellten zunächst fest, dass der Klägerin durch die Entstehung von Dauergrünland ein Schaden entstanden ist und dass es dem Beklagten rechtlich und tatsächlich möglich gewesen sei, den Schadenseintritt durch einen rechtzeitigen Umbruch abzuwenden. Das Umwandlungsverbot von Dauergrünland habe sich nur auf Flächen bezogen, die zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindes­tens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs sind. Demzufolge wäre bei einer zeitweiligen Unterbrechung des Anbaus von Gras bzw. anderen Grünfutterpflanzen kein Dauergrünland entstanden.


Nach den weiteren Feststellungen des BGH habe der Beklagte mit dem Pachtvertrag Ackerland gepachtet. Dies ergebe sich insbesondere aus der Beschreibung der Nutzung mit „A“. Die Richter wiesen darauf hin, dass das Kürzel „A“ der üblichen Bezeichnung von Ackerflächen im Liegenschaftskataster entspreche. Die Tatsache, dass die Pachtflächen als Grünland übergeben und danach in Kenntnis des Verpächters immer als Grünland bewirtschaftet wurden, ändere die Verpachtung als Ackerland nicht. Dass den Vertragsparteien eine Nutzung der Ackerflächen als Grünland bewusst war, ergebe sich u. a. aus der Regelung im Pachtvertrag, nach der Grünland in dem jährlich einzureichenden Prämienantrag als „Ackergrünland“ anzugeben ist.


Der BGH führt in seinem Urteil aus, dass der Beklagte zu einem rechtzeitigen Umbruch verpflichtet war, weil er als der Pächter zur ordnungsmäßigen Bewirtschaftung der Pachtsache verpflichtet ist und sie in einem Zustand zurückgeben muss, der einer ordnungsmäßigen Bewirtschaftung entspricht.
Werden als Ackerland verpachtete Flächen als Grünland genutzt, sei es für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung erforderlich, die Ackerlandeigenschaft zu erhalten und die Entstehung von Dauergrünland durch einen rechtzeitigen Umbruch abzuwenden. Zur Begründung führten die Richter aus, dass sich der Umfang der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung nach dem Pachtvertrag und dem für die Nutzung landwirt­schaftlicher Flächen maßgeblich bestimmenden Subventionsrecht bestimme. Die Pflicht des Pächters, die Pachtsache während der gesamten Pachtzeit ordnungsmäßig zu bewirtschaften, diene dazu, den Zustand der Pachtsache, in dem sie nach Ende des Landpachtverhältnisses zurückzugeben ist, nachhaltig zu sichern. Der Pächter sei verpflichtet, alles zu unterlassen, was die Pachtsache oder deren Nutzbarkeit für die Zeit nach Pachtende beeinträchtigen kann. Der BGH vertritt insoweit die Auffassung, dass der Pächter die nachhaltige Ertragsfähigkeit der Pachtsache sicherstellen und die Bewirtschaftung ggf. an veränderte technische und rechtliche Rahmenbedingungen anpassen müsse. Daher sei der Begriff der ordnungsmäßigen Bewirtschaftung dynamisch zu verstehen. Aus diesem Grund hält der BGH den Pächter für verpflichtet, die bei Pachtbeginn gegebene und vertraglich vereinbarte Ackerlandeigenschaft der Pachtflächen zu erhalten. Der Pächter habe – soweit möglich – dafür zu sorgen, dass die in dem Pachtvertrag vorausgesetzten Nutzungsmöglichkeiten bestehen bleiben. Hierfür müsse er die Rechtsentwicklung jedenfalls auf Änderungen beobachten, die einen erheblichen Wertverlust der gepachteten Flächen nach sich ziehen können und in landwirtschaftlichen Kreisen allgemein wahrgenommen und diskutiert werden. Dies sei hinsichtlich der Entstehung von Dauergrünland der Fall gewesen.


Der BGH stellte fest, dass das Verschulden des Beklagten für die nicht ordnungsgemäße Bewirtschaftung nach dem Gesetz vermutet werde. Der Beklagte könne sich nicht auf fehlende landwirtschaftliche Kenntnisse berufen, da er im Pachtvertrag die Pflichten eines Landpächters übernommen habe. Der Beklagte hätte sich im Zusammenhang mit dem ohnehin jährlich zu stellenden Grundantrag beraten lassen können.


Die Richter haben ein Mitverschulden der Klägerin verneint. Sie führten jedoch aus, dass ein Mitverschulden des Verpächters möglich sei, wenn er es unterlässt, den Pächter zu einem rechtzeitigen Umbruch anzuhalten, sofern ihm die Nutzung als Grünland bekannt war und er die drohende Entstehung von Dauergrünland erkennen konnte. Die Erkennbarkeit setze nach Ansicht der Richter jedoch regelmäßig voraus, dass der Verpächter aktiver Landwirt sei. Für die Richter war die Klägerin jedoch nicht schon deshalb einem aktiven Landwirt gleichzustellen, weil sie ihre Aufgaben als Verpächterin dadurch wahrgenommen hat, dass sie mit dem Beklagten den Pachtvertrag geschlossen und die Kündigung ausgesprochen hat.


Zur Schadenshöhe führte der BGH aus, dass die Klägerin einen Anspruch auf Geldersatz hat, da der Beklagte zur Naturalrestitution in Gestalt des Erwerbs von Umbruchsrechten nicht in der Lage gewesen sei. Der zu ersetzende Schaden ergebe sich aus der Differenz zwischen dem Wert des Grundstücks, wie er sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem durch die Schädigung verminderten Wert. Der BGH bestätigte hierbei die Schadensberechnung des Oberlandesgerichts.


Bemerkung:

Die dem Urteil zugrundeliegende Fallgestaltung ist nicht ungewöhnlich. Eine Vielzahl von – meist älteren – Pachtverträgen sieht für die Pachtflächen eine unzutreffende Nutzungsart vor. Die Parteien haben sich möglicherweise für die vereinbarte Nutzungsart auf Kataster- oder Grundbucheinträge bezogen, die sich später als falsch herausgestellt haben. In anderen Fällen haben die Parteien der Nutzungsart schlicht keine Beachtung geschenkt, weil die Pacht als Pauschale vereinbart war. In solchen Fallgestaltungen waren sich die Parteien zu Beginn und während des Pachtverhältnisses meist über die tatsächliche Nutzung der Pachtflächen einig. Probleme gibt es in der Regel erst bei deren Rückgabe.


Der vom BGH entschiedene Sachverhalt kann nicht wie eine Schablone auf alle Fälle gelegt werden, in denen die Pachtflächen im Vertrag als Ackerland bezeichnet und als Grünland zurückgegeben werden. Ob tatsächlich eine Ersatzpflicht des Pächters besteht, hängt von den bei Juristen berühmten „Umständen des Einzelfalles“ ab. Maßgeblich sind u. a. die Formulierungen im Pachtvertrag, die rechtlichen Rahmenbedingungen oder die landwirtschaftliche Kenntnisse der Vertragsparteien, die sich auf das (Mit-)Verschulden auswirken können.


Constanze Nehls
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Agrarrecht
Fachanwältin für Arbeitsrecht
BTR Rechtsanwälte