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Kein Anspruch der BVVG auf Mehrerlös


veröffentlicht am: 30. Juli 2018

Anmerkungen zum Beschluss des Kammergericht vom 21.12.2016, Az.: 28 U 7/15. Das Kammergericht verneint die Ansprüche der BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (nachfolgend: BVVG) auf Einbeziehung in Vertragsverhandlungen und auf Entschädigungszahlungen im Zusammenhang mit einer „Windkraftklausel“.


Sachverhalt (Auszug):

Der Kläger hat von der Beklagten im Jahr 2005 Flächen im Umfang von 71,01 ha erworben. Im Beschluss wird die Beklagte als Treuhandanstalt bzw. deren Rechtsnachfolgerin bezeichnet. Tatsächlich handelte es sich bei der Beklagten um die BVVG. Der Kauf erfolgte aufgrund § 3 Abs. 5 Ausgleichsleistungsgesetz. Dies bedeutet, dass der Kläger für die erworbenen Flächen einen Kaufpreis in Höhe von 65 % vom Verkehrswert gezahlt hat. Der Kaufvertrag unterlag für die Dauer von 15 Jahren ab Beurkundung den Erfordernissen und Zweck­bindungsvorschriften der Flächenerwerbsverordnung. § 10 Abs. 5 des Kaufvertrags sah Regelungen für den Fall vor, dass die gekauften Flächen während der Bindungsfrist ganz oder teilweise als Standort- und/oder Abstandsflächen für u. a. Windenergieanlagen genutzt oder zur Verfügung gestellt werden. Der Kaufvertrag verpflichtete den Kläger u. a., die Beklagte in die Verhandlungen mit dem potentiellen Anlagenbetreiber einzubeziehen. Dies sollte dazu dienen, Fragen der Zahlungsmodalitäten sowie der durch den Anlagenbetreiber zu stellenden Sicherheiten für den Rückbau der geplanten Anlage zu regeln.

Der Kläger war auch verpflichtet, der Beklagten einen Betrag in Höhe von 75 % des auf die Gesamtnutzungs­dauer der Anlage kapitalisierten Entschädigungsbetrages zu zahlen, der auf die kaufgegenständlichen Flächen entfällt, mindestens aber 75 % des marktüblichen Entschädigungsbetrages. Der Entschädigungsbetrag sollte einen Monat nach Abschluss des Vertrags mit dem Anlagenbetreiber fällig sein, spätestens jedoch zum Ende des Monats, in dem mit der Errichtung der Anlage begonnen wird.
Der Kaufvertrag flankierte die Pflichten des Klägers mit Auskunfts- und Einsichtnahmerechten der Beklagten in die maßgeblichen Vereinbarungen mit dem Anlagenbetreiber.

Der Kläger möchte auf den Kaufgrundstücken drei Windräder aufstellen. Er ist der Auffassung, dass die in dem Kaufvertrag enthaltenen Regelungen über seine Pflichten im Zusammenhang mit der Aufstellung von Windenergieanlagen unwirksam sind. Die BVVG hielt an deren Wirksamkeit fest. Der Kläger klagte daher vor dem Landgericht Berlin u. a. auf Feststellung, dass die BVVG weder einen Anspruch auf Beteiligung an den Vertragsverhandlungen noch auf Erhalt der vertragsrelevanten Unterlagen oder eines Entschädigungsbetrags hat. Das Landgericht Berlin hat der Klage des Klägers stattgegeben. Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten vor dem Kammergericht.


Entscheidung:

Das Kammergericht hat die Berufung der Beklagten mit großer Deutlichkeit zurückgewiesen. Die Richter bewerteten den streitgegenständlichen Kaufvertrag als „Ausfüllformular […], bei dem die Beurkundung durch „Notar/in“ vorgesehen ist“. Aus diesem Grund seien die kaufvertraglichen Regelungen, insbesondere die in § 10 Abs. 5 enthaltenen Pflichten des Klägers im Zusammenhang mit Windenergieanlagen als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen.


Nach Auffassung des Kammergerichts ist die Pflicht des Klägers, die Beklagte in die Vertragsverhandlungen mit dem Anlagenbetreiber einzubeziehen, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Zur Begründung führten die Richter aus, dass die Regelung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren sei. Sie legten dar, dass die Einbeziehung eines Dritten in Vertragsverhandlungen einen schweren Eingriff in die Privatautonomie der Verhandlungspartner darstelle.


Nach dem Inhalt des Kaufvertrags war wollte die Beklagte am Vertrag beteiligt werden, um die Zahlungs­modalitäten und die Rückbaupflichten des Anlagenbetreibers mitzubestimmen. Hierbei handele es sich um wesentliche Leistungsbestandteile, da diese Positionen u. a. die Preisgestaltung des Vertrages mit dem Anlagenbetreiber betreffen. Das Kammergericht setzt die gewünschte Vertragsbeteiligung der BVVG daher mit dem einen Dritten eingeräumten Leistungsbestimmungsrecht gleich. Dies sei im Bürgerlichen Recht nur in Ausnahmefällen zulässig. Ist ein solches Bestimmungsrecht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten, sei dies u. a. unwirksam, wenn der Dritte mit dem Verwender identisch ist. Diese Voraussetzung ist nach Auffassung des Kammergerichts vorliegend erfüllt, da die Beklagte die Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Verwender vorgegeben hat und als Dritte in den Vertrag einbezogen werden soll. Die Richter sahen die Gefahr, dass die Beklagte ihr Interesse an einer möglichst geringen Gewinnspanne für den Kläger als Erwerber der vergünstigen Flächen und zugleich an einer politisch gewollten schnellen Errichtung der Windkraftanlage mittelbar über die Vertragsgestaltung zwischen dem Kläger und dem Anlagenbetreiber durchsetzt, ohne dass der Kläger die Möglichkeit hätte, seine eigenen Interessen durchzusetzen.


Das Kammergericht sah auch kein schützenswertes Interesse der Beklagten an der Vertragsbeteiligung. Die Richter wiesen darauf hin, dass die Beklagte die Zweckbindungen der Kaufgrundstücke durch die gesetzlich vom Ausgleichsleistungsgesetz und der Flächenerwerbsverordnung vorgesehenen Instrumentarien wie beispielsweise dem Rücktritt sicherstellen könne. Da die Klausel zur Einbeziehung in den Vertrag der Beklagten allerdings eine Vertragsgestaltungsmacht zu Zahlungsmodalitäten und Rückbausicherheiten einräume, gehe diese Regelung über die Sicherstellung eines etwaigen Rücktrittsrechts weit hinaus. Nach den Feststellung des Kammergerichts habe der Gesetzgeber einen so gravierenden Eingriff wie eine Einbeziehung in Vertragsverhandlungen nicht für erforderlich gehalten.

Das Ausgleichsleistungsgesetz treffe diesbezüglich keine Regelung und nach der Flächenerwerbsverordnung seien Nutzungsänderungen oder Verpachtungen der Beklagten lediglich anzuzeigen. Die Einbeziehung der Beklagten in die Vertragsverhandlungen zwischen Kläger und Anlagenbetreiber mit einer Regelungsbefugnis für die Beklagte sei daher mit dem gesetzlichen Grundgedanken nicht zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung sei nach den Hinweisen des Kammergerichts individualvertraglich möglich, jedoch nicht über Allgemeine Geschäftsbedingungen.


Das Kammergericht sah die Pflicht des Klägers zur Zahlung des kapitalisierten Entschädigungsbetrages an die Beklagte ebenfalls nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 BGB als unwirksam an. Art. 14 GG gewährleiste, dass der Eigentümer eines Grundstücks mit diesem grundsätzlich nach eigenem Belieben verfahren könne. Eine Einschränkung der Eigentumsfreiheit komme nur im Rahmen der gesetzlichen Regelungen und freier Vereinbarung in Betracht. Der einseitigen Einschränkung durch AGB seien daher enge Grenzen gesetzt. Diese Grenzen werden vorliegend durch das Ausgleichsleistungsgesetz und die Flächenerwerbsverordnung ausgestaltet. Nach beiden Normen sei die Veräußerung der Kaufgrundstücke während der Zweckbindungs­fristen nur mit Zustimmung der Beklagten zulässig. Die Richter führten weiter aus, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten jedoch nicht nur für den Fall der Veräußerung sondern auch bei der geplanten Errichtung von Windkraftanlagen eine Einschränkung vorsehen. Die Einschränkung liege in dem Zustimmungserfordernis der Beklagten, welche die Zustimmung von der Entrichtung eines Entschädigungsbetrages abhängig macht. Dies sei nach Auffassung des Kammergerichts nicht mit den wesentlichen Grundgedanken des Gesetzen vereinbar. Zum einen sehe die Entschädigungsklausel keine zeitliche oder Begrenzung pro rata vor. Bei einer Errichtung der Windkraftanlage gegen Ende der Bindungsfrist wäre der Entschädigungsbetrag auf die gesamte Nutzungszeit der Windkraftanlage zu entrichten. Dies könne zu einer unangemessenen Entschädigungsleistung über die Bindungsfrist hinaus führen.


Die Richter legten weiterhin dar, dass die Klausel von dem Grundgedanken der Flächenerwerbsverordnung abweiche, wonach eine Zustimmung zu erteilen sei, wenn die Zweckbindung nicht gefährdet werde. Der Kaufvertrag verlange hingegen zusätzlich und ohne materiell-gesetzliche Grundlage, dass weitere Bedingungen für die Zustimmung erfüllt werden müssen. Das Kammergericht führt scharf aus, dass die Beklagte sich damit das Verhandlungsergebnis des Klägers wirtschaftlich und politisch zunutze mache, ohne dass das Gesetz eine Grundlage dafür böte oder dies gar forderte. Das Kammergericht wies auch die Bedenken der Beklagten zurück, wonach es das Ausgleichsleistungsgesetz nicht bezwecke, Leistungs­berechtigte zu Millionären zu machen. Die Richter wiesen in diesem Zusammenhang deutlich darauf hin, dass der Zweck des Ausgleichsleistungs­gesetz ebenso wenig darin liege, der Beklagten unter Ausnutzung des Verhandlungsgeschicks des Klägers zu Einkünften zu verhelfen. Zentrales Ziel von Ausgleichsleistungsgesetz und Flächenerwerbsverordnung sei allein die Sicherstellung der landwirtschaftlichen Nutzung innerhalb der Bindefrist. Können unter Wahrung dieses Zwecks Einkünfte generiert werden, so stünden diese grundsätzlich dem Eigentümer zu. Dem stünden Einzelfallverhandlungen unter Berücksichtigung von Restbindefrist, Art und Umfang der Nutzung und der erwarteten Einkünfte nicht entgegen. Eine pauschale Abschöpfung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen sei gesetzlich jedoch nicht vorgesehen. Die Klausel widerspreche damit dem Leitgedanken der gesetzlichen Regelungen und belaste den Kläger einseitig unangemessen.


Da die Beklagte weder an den Vertragsverhandlungen zu beteiligen sei, noch ihr ein Anspruch auf eine Entschädigung zusteht, hat sie nach den Ausführungen des Kammergerichts auch kein Recht auf Einsicht in die vertragsrelevanten Unterlagen.


Anmerkung:

Das Kammergericht hat die Revision zugelassen, da die Rechtsfragen zur Auslegung von § 1 FlErwV noch nicht höchstrichterlich geklärt sind und eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen betreffen. Zudem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 ZPO. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich der Bundesgerichtshof der Rechtsauffassung der ersten und zweiten Instanz anließen wird.


Für den Anwendungsbereich der sog. EALG-Kaufverträge liegen damit die Entscheidungen zweier Gerichte vor. Die BVVG verwendet die in dem vorgenannten Sachverhalt besprochene Windkraftklausel jedoch auch in Kaufverträgen, die nicht den Beschränkungen des Ausgleichsleistungsgesetzes und der Flächenerwerbsverordnung unterfallen. Soweit bekannt ist, gibt es bisher keine Entscheidung zur Zulässigkeit der Windkraftklauseln in diesen Verträgen.

Das Kammergericht leitet seine Rechtsauffassung aus der Eigenschaft des streitgegenständlichen Kaufvertrags als Allgemeine Geschäftsbedingung ab. Die Vertragsklauseln waren mit dem gesetzlichen Grundgedanken nicht vereinbar. Hieran konnten die wegen der Zweckbindung zu beachtenden Vorschriften des Ausgleichsleistungsgesetzes und der Flächenerwerbsverordnung nichts ändern. Sind diese Vorschriften erst gar nicht anwendbar, weil der Flächenerwerb nicht vergünstig erfolgte, dürften die Allgemeinen Geschäftsbedingungen erst recht unwirksam sein.


Flächenkäufer, die an die BVVG wegen der vermeintlichen Pflicht aus dem Kaufvertrag bereits Entschädigungszahlungen vorgenommen haben, sollten die Möglichkeit einer Rückforderung prüfen. Die BVVG hat eine Leistung erhalten, ohne hierzu berechtigt zu sein. Der hier besprochene Beschluss wirkt zwar prozessual nur zwischen den am Verfahren beteiligten Parteien, jedoch werden gleichlautende Klauseln in anderen Kaufverträgen ebenfalls unwirksam sein.


Constanze Nehls
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Agrarrecht
Fachanwältin für Arbeitsrecht
BTR Rechtsanwälte