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Das Schriftformerfordernis gilt auch für Mieterhöhungen


veröffentlicht am: 09. November 2018

Die für länger als ein Jahr geltende Änderung der Miethöhe ist stets eine wesentliche und der Schriftform unterfallende Vertragsänderung. Die Entscheidung ist auch für das Landpachtrecht relevant. Anmerkungen zum Urteil des BGH vom 25.11.2015, Az.: XII ZR 114/14.


Sachverhalt (Auszug):

Die beiden Kläger sind Zahnärzte. Sie haben im Jahr 2001 Gewerberäume zum Betrieb einer Zahnarztpraxis gemietet. Bei dem Vermieter handelt es sich um den inzwischen verstorbenen Rechtsvorgänger der Beklagten. Der schriftlich geschlossene Mietvertrag sah eine Mietzeit bis ins Jahr 2020 und einen monatlichen Mietzins von 1.350,00 EUR vor. Ein paar Monate nach Vertragsschluss vereinbarten die Mietvertragsparteien telefonisch die Erhöhung der monatlichen Miete um 20,00 EUR auf 1.370,00 EUR. Einer der Kläger vermerkte die Erhöhung auf dem Mietvertragsexemplar der Kläger.


Im Februar 2014 kündigten die Kläger die Mieträume u. a. ordentlich wegen eines Schriftformverstoßes. Sie haben die Praxisräume geräumt und begehren die gerichtliche Feststellung, dass das Gewerberaummietverhältnis u. a. durch die ordentliche Kündigung wirksam beendet ist. Die Klage ist in den Vorinstanzen beim Landgericht Hechingen und Oberlandesgericht Stuttgart erfolglos geblieben.


Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart auf und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung dorthin zurück. Die Richter wiesen darauf hin, dass die von §§ 578 Abs. 1 und 2, 550 BGB geforderte Schriftform nur gewahrt sei, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere über den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Von der Schriftform ausgenommen sollen lediglich solche Abreden sein, die für den Inhalt des Vertrags, auf den die Parteien sich geeinigt haben, von nur nebensächlicher Bedeutung sind. Diese Grundsätze gelten auch für Vertragsänderungen. Diese müssen ebenfalls der Schriftform des § 550 BGB genügen, wenn es sich nicht um unwesentliche Änderungen handelt.


Die Richter stellten zunächst fest, dass der Eintritt der Beklagten als Erben des verstorbenen Vermieters keine der Schriftform unterliegende Vertragsänderung ist. Sie führten aus, dass die Schriftform nur für vertragliche Abreden gelte und nicht für die gesetzlich vorgesehene Rechtsnachfolge bei einem Erbfall.


Der Bundesgerichtshof führte dann weiter zu der Frage aus, ob eine nachträgliche dauerhafte Änderung der Miete stets und unabhängig von ihrer Höhe wesentlich sei und insoweit der Schriftform unterfalle oder ob es der Überschreitung einer Erheblichkeitsgrenze bedürfe. Diese Frage war bisher umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt. Die Richter stellten kurz dar, dass die wohl überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur davon ausgehe, dass nur unerhebliche Mietänderungen nicht dem Formzwang des § 550 BGB unterfallen. Die Grenze der Erheblichkeit wurde bisher jedoch nicht einheitlich festgelegt. Nach der Gegenansicht soll eine dauerhafte Änderung der Miethöhe immer vertragswesentlich und daher stets schriftlich zu vereinbaren sein. Dieser Ansicht schloss sich der Bundesgerichtshof an und urteilte, dass die Änderung der Miethöhe stets eine wesentliche und – jedenfalls soweit sie für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann – dem Schriftformzwang des § 550 Satz 1 BGB unterfallende Vertragsänderung darstelle. Zur Begründung führten die Richter aus, dass es sich bei der Miete immer um einen vertragswesentlichen Punkt handele, der für den vom Schriftformgebot geschützten potenziellen Grundstückserwerber von besonderem Interesse sei. Dies soll insbesondere daher gelten, weil sich Änderungen unmittelbar auf die Möglichkeit des Vermieters zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs auswirken können. Zudem sei es angesichts der Vielgestaltigkeit von Mietverhältnissen nicht möglich, eine feste Prozentgrenze festzulegen, bis zu der eine Mietänderung nicht wesentlich sein soll. Das Gebot der Rechtssicherheit spreche daher gegen die Annahme einer Erheblichkeitsgrenze.


Für die Richter war es im Rahmen der Bewertung ohne Bedeutung, ob die Mietänderung zu einer für den Vermieter und damit auch für einen potenziellen Grundstückserwerber günstigen Erhöhung oder aber zu einer Ermäßigung geführt hat. Dies folge bereits daraus, dass die Schriftform nicht nur den Grundstücks­erwerber, sondern auch die Vertragsparteien schützen soll. Der Formzwang des § 550 Satz 1 BGB greife folglich auch dann ein, wenn eine Vereinbarung keine Verpflichtungen für einen potenziellen Erwerber, sondern ausschließlich Verpflichtungen des Mieters zum Inhalt habe.


Da der Bundesgerichtshof aufgrund der bisherigen Feststellungen der Vorgerichte eine formgültige Vereinbarung zur Mieterhöhung nicht feststellen konnte, ging er grundsätzlich von einem Schriftformverstoß aus.


Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sind die Kläger auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gehindert, sich auf den Schriftformmangel zu berufen. Sie führten aus, dass sich grundsätzlich jede Vertragspartei auf die Nichteinhaltung der Schriftform berufen könne. Nur ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrags zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, könne es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn sich die Partei sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar. Das könne insbesondere dann der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn bei Formnichtigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre. Hierzu habe das Oberlandesgericht Stuttgart jedoch keine Feststellungen getroffen, was nachgeholt werden müsse. Die Richter wiesen jedoch bereits in ihrem Urteil u. a. darauf hin, dass die Mieterhöhung keine einseitig die Mieter begünstigende Änderung sei, bei der es gegen § 242 BGB verstoßen könne, wenn die Mieter aus ihr den Vorteil eines vorzeitigen Vertragsendes ziehen wollen. Auch könne der vergleichsweise geringe Änderungsbetrag für sich keinen Rechtsmissbrauch rechtfertigen.


Anmerkung:

Die (fehlende) Schriftform von Miet- oder Pachtverträgen ist gerade in jüngster Zeit immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung. Es erschließt sich erst auf den zweiten Blick, warum ein Urteil aus dem Bereich des Gewerbemietrechts Bedeutung für das Landpachtrecht haben kann. Die hierfür entscheidenden Normen sind §§ 578, 550 BGB. Nach § 578 Abs. 2 BGB ist § 550 BGB auf Mietverhältnisse über Räume, die keine Wohnräume sind, entsprechend anzuwenden. § 550 Satz 1 BGB sieht vor, dass ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit gilt, wenn er für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen wird. Im Landpachtrecht gilt für Landpachtverträge länger als zwei Jahre die analoge Vorschrift des § 585a BGB. Da beide Normen wesentlich auf die Schriftform des § 126 BGB abstellen, sind die Feststellungen des Bundesgerichtshofs zum Gewerbemietrecht auf das Landpachtrecht übertragbar. Es ist damit auch für das Landpachtrecht höchstrichterlich geklärt, dass jede Erhöhung der Pacht, wenn sie längere Zeit gelten soll, schriftlich vereinbart werden muss. Auf den Umfang der Pachterhöhung soll es dagegen nicht ankommen.


Bemerkenswert sind ebenfalls die kurzen Feststellungen des Bundesgerichtshofs zum Eintritt von Erben in den Mietvertrag bzw. bei analoger Anwendung in den Landpachtvertrag. Der Eintritt erfolgt nach erbrechtlichen Vorschriften, so dass eine schriftliche Vertragsänderung nicht erforderlich ist.


Constanze Nehls
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Agrarrecht
Fachanwältin für Arbeitsrecht
BTR Rechtsanwälte