BTR-Blog

Wenn die Ordnungswidrigkeit die Betriebsprämie kürzt…


veröffentlicht am: 28. November 2018

Wird in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren die Schuld des Betriebsinhabers rechtskräftig festgestellt, kann dies negative Auswirkungen auf die Betriebsprämie haben. Anmerkungen zum Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17.02.2017, Az.: 13a ZB 15.301.


Der Sachverhalt (Auszug):

Dem Kläger wurde vorgeworfen, im Jahr 2010 Ackerrandstreifen mit Pflanzenschutzmitteln behandelt zu haben. Es wurde gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen das Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) eingeleitet. Im Verfahren vor dem zuständigen Amtsgericht Freising verteidigte sich der Kläger damit, dass nicht er sondern ein unbekannter Dritter die Ackerrandstreifen mit Pflanzen­schutz­mitteln behandelt habe. Gleichwohl verurteilte das Amtsgericht Freising den Kläger zu einer Geldbuße. Das Amtsgericht Freising erließ zunächst ein abgekürztes Urteil im Bußgeldverfahren und ergänzte dieses Urteil später durch schriftliche Urteilsgründe. Das Urteil wurde rechtskräftig.


Der Beklagte hob daraufhin im Jahr 2012 die Betriebsprämie 2010 teilweise auf, weil der Kläger seine Cross-Compliance-Verpflichtungen aus Art. 4 ff. VO (EG) Nr. 73/2009 i.V.m. § 6 Abs. 2 PflSchG (Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen) nicht eingehalten hatte.


Der Kläger hat die ihn belastenden Aufhebungsbescheide angefochten. Das für das Verwaltungsverfahren zuständige Verwaltungsgericht Würzburg hat in dem Anfechtungsverfahren die polizeilichen Feststellungen in der Ordnungswidrigkeitenanzeige und im Bußgeldbescheid sowie den Vortrag des Klägers berücksichtigt. In der mündlichen Verhandlung hat es zudem mit dem Kläger und dem Beklagten erörtert, ob eine andere Person den Acker bespritzt haben könnte. Letztlich ist das Verwaltungsgericht Würzburg zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger selbst seinen klägerischen Acker einschließlich der Randstreifen mit Pflanzenschutz­mittel behandelt hat. Für das Verwaltungsgericht Würzburg stand damit fest, dass der Kläger gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen verstoßen habe und die Kürzung der Betriebsprämie zu Recht erfolgt sei.


Der Kläger beantragte beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nach § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg. Nach seiner Auffassung bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Zudem weise die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf. Letztlich machte er einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel geltend, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg beruht haben kann.


Der Kläger ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht Würzburg habe dem Urteil nicht die Feststellungen des Amtsgerichts Freising zugrunde legen dürfen. Er ist der Ansicht, die nachträgliche Fertigung schriftlicher Urteilsgründe sei unzulässig, wenn das Urteil bereits aus dem inneren Dienstbetrieb herausgegeben worden ist.


Der Beschluss:

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung zurück. Nach Auffassung der zuständigen Richter lagen die vom Kläger geltend gemachten Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 VwGO nicht vor.


Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Die Richter wiesen darauf hin, dass sich das Verwaltungsgericht Würzburg durchaus mit dem Einwand des Klägers, ein unbekannter Dritter habe die Ackerrandstreifen mit Pflanzenschutzmittel behandelt, auseinandergesetzt habe. Angesichts des rechtskräftigen Schuldspruchs des Amtsgerichts Freising durfte das Verwaltungsgericht Würzburg davon ausgehen, dass der Kläger mit seinem Einwand, er habe die Tat nicht begangen, nicht gehört werden könne. Es sei rechtskräftig darüber befunden worden, dass der Kläger und nicht ein anderer die Ordnungswidrigkeit im Jahr 2010 begangen hat. Der Umfang der Rechtskraft bemesse sich nach der Tat im prozessualen Sinn. Danach sei „Tat“ der geschichtliche – und damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte – Vorgang, auf welchen Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Dies schütze einerseits den Verurteilten davor, wegen des in der Anklage bezeichneten und individualisierten Sachverhalts nochmals gerichtlich belangt zu werden, andererseits stehe fest, dass der Verurteilte die angeklagte Tat begangen hat, und der Schuldspruch erwachse insoweit in Rechtskraft.


Nach den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist die Berufung auch nicht deshalb zuzulassen, weil das Amtsgericht Freising ein abgekürztes Urteil nachträglich ergänzt hat. Für die zuständigen Richter war dieses Vorgehen ohne Belang, da das Verwaltungsgericht Würzburg anhand der Feststellungen in der Ordnungswidrigkeitenanzeige und im Bußgeldbescheid sowie der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ohnehin eine eigene Beurteilung des Sachverhalts vorgenommen hat. Aus diesem Grund weise die Rechtssache auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf.


Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies zudem darauf hin, dass ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht vorliege. Das Verwaltungsgericht Würzburg durfte aufgrund des rechtskräftigen Schuldspruchs grundsätzlich davon ausgehen, dass der Kläger ein Pflanzenschutzmittel vorschriftwidrig angewendet hat. Im Übrigen habe sich das Verwaltungsgericht Würzburg selbst mit dem Vortrag des Klägers befasst.


Anmerkungen:

Der vorgenannte Sachverhalt greift eine nicht unübliche Fallgestaltung auf: Die zuständigen Behörden werfen einem Antragsteller von Betriebsprämien berechtigt oder unberechtigt eine bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit vor. Der Antragsteller verteidigt sich in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren oftmals gar nicht oder nur unzureichend. Hintergrund ist, dass das angekündigte Bußgeld nicht selten unter einem für die Verteidigung angenommenen Rechtsanwaltshonorar liegt. In manchen Fällen erscheint dem Antragsteller ein Vorgehen gegen den Bußgeldbescheid als nicht praktikabel oder als zu zeitaufwändig. Erst wenn zum Jahresende der Betriebsprämienbescheid eingeht und dieser die Prämienkürzung wegen eines Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen beinhaltet, wird der Antragsteller aktiv. In der Regel wiegt die Prämienkürzung finanziell schwerer als der Bußgeldbescheid. Der Antragsteller geht gegen die Prämienkürzung im Wege des Verwaltungsverfahrens vor. In diesem Verfahren tragen die Behörden immer wieder vor, dass der Antragsteller seine Schuld dadurch bereits eingestanden hat, dass er gegen den Bußgeldbescheid nicht vorgegangen ist bzw. dass im Bußgeldverfahren die Schuld des Antragstellers festgestellt wurde. Der Richter im Verwaltungsverfahren ist gemäß Art. 97 Abs. 1 GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Er muss im Verwaltungsverfahren eigene Feststellungen treffen und darf nicht nur auf Feststellungen anderer Richter in einem anderen Verfahren Bezug nehmen. Daher wäre es im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen, wenn das Verwaltungsgericht Würzung die Rechtmäßigkeit der Prämienkürzung einzig unter dem Hinweis auf das abgeschlossene Ordnungswidrigkeiten festgestellt hätte. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall, sondern das Verwaltungsgericht Würzburg hat versucht, den Sachverhalt selbst zu ermitteln.


Constanze Nehls
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Agrarrecht
Fachanwältin für Arbeitsrecht
BTR Rechtsanwälte