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(Künftige) Arbeitgeber aufgepasst!


veröffentlicht am: 09. März 2021

Viele Arbeitgeber sind der Auffassung, dass sie durch das Arbeitsrecht frühestens dann verpflichtet werden, wenn sie dem künftigen Mitarbeiter den Arbeitsvertrag zur Unterschrift überreichen. Landwirtschaftsbetriebe sind da keine Ausnahme. Sie wissen oft nicht, dass sie sich auch in der Phase der Mitarbeitersuche nicht in einem rechtsfreien Raum befinden. So kann der oftmals gut gemeinte Text für eine Stellenanzeige schlecht gemacht sein und zu Ärger führen.



Die Ziele und Inhalte des AGG betreffen nicht nur Stellenanzeigen oder das Arbeitsrecht sondern auch andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, so dass sie zumindest als weitestgehend bekannt vorausgesetzt werden. Aus diesem Grund wird kein informierter Landwirtschaftsbetrieb seine Stellenanzeige bewusst so formulieren, dass sie offenkundig gegen das Benachteiligungsverbot verstößt. In der Praxis ist daher beispielsweise die Bezeichnung „m/w/d“ als geschlechtsneutrale Formulierung bei der Bewerbersuche etabliert.


In den letzten Jahren hat sich jedoch eine Rechtsprechung herauskristallisiert, die neutral klingende Formulierungen als diskriminierend erachtet. Teilweise erscheint diese Rechtsprechung der verschiedenen Gericht auch widersprüchlich.

So hat beispielsweise das Landesarbeitsgericht Nürnberg am 27.05.2020 (Az.: 2 Sa 1/20) entschieden, dass die Formulierung in einer Stellenanzeige, in der dem Bewerber eine „zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hochmotivierten Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellt. Die Richter begründeten ihre Auffassung damit, dass die Angaben der Stellenanzeige nur so verstanden werden können, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer sucht, der in das Team passt, weil er ebenso jung und hochmotiviert ist wie die übrigen Mitglieder des vorhandenen Teams.


Im Vergleich dazu hat das Landesarbeitsgericht Köln am 23.09.2020 (Az.: 3 Sa 423/20) entschieden, dass die Formulierung in einer Stellenanzeige, wonach „ein aufgeschlossenes, junges Team“ unter der Überschrift „wir bieten“ beschrieben ist, keine altersdiskriminierenden Anforderungen an die Stellenbewerber enthält, weil nur die aktuelle personelle Zusammensetzung des Teams wiedergegeben wird.


Während die Formulierung „Berufseinsteiger sowie bis zu 5 Jahre Berufserfahrung“ nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts vom 11.08.2016 (Az.: 8 AZR 809/14) eine mittelbare Altersdiskriminierung darstellt, ist dies bei der bloßen Suche nach einem „Berufseinsteiger“ aus Sicht des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 28.05.2019 (Az.: 15 Sa 116/19) nicht der Fall. Nach Ansicht der Richter sei ein Berufseinsteiger kein Berufsanfänger, sondern auch eine Person, die schon beruflich tätig war und sich nun für eine andere berufliche Richtung entscheidet. Dagegen sei ein Berufsanfänger jemand, der mit dem Berufsleben startet, also keinerlei Berufserfahrungen mit sich bringt und – zwischen den Zeilen – noch jung ist.


Zu beachten ist, dass es sich bei den hier zitierten Entscheidungen um die Rechtsprechung zu Einzelfällen handelt. Was von einem Gericht in einem Fall für zulässig erachtet wurde, kann im Zusammenspiel mit anderen Umständen unzulässig sein. Der die Stellenanzeigende schaltende Landwirtschaftsbetrieb bewegt sich hierbei oft in einem rechtlichen Irrgarten. Weniger Text ist dann manchmal sicherer.


Doch was ist die Folge, wenn man als Landwirtschaftsbetrieb eine diskriminierende Formulierung in der Stellenanzeige verwendet hat? Nach dem Inhalt des AGG kann der Bewerber dann von dem Landwirtschaftsbetrieb eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Dies bedeutet, dass der die Stellunganzeige schaltende Landwirtschaftsbetrieb einem Bewerber Geld zahlen muss, weil in dem Text eine diskriminierende Formulierung enthalten war und sich der Bewerber hierdurch benachteiligt fühlt. Dies gilt auch dann, wenn die Benachteiligung nicht beabsichtigt war und dem Bewerber gar kein Schaden entstanden ist.

Das Gesetz bestimmt nicht, wie hoch diese Entschädigung sein muss. Wäre der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden, darf die Entschädigung jedoch drei Monatsgehälter nicht übersteigen.


Die Rechtsfolge verdeutlicht, dass die Gesetzgebung einen Verstoß gegen das AGG nicht als Kavaliersdelikt ansieht. Zu beachten ist auch, dass eine diskriminierungsfreie Stellenanzeige kein Garant dafür ist, das Bewerbungsverfahren ohne Entschädigungsverpflichtungen abzuschließen. Auch der Inhalt des Ablehnungsschreibens für nicht berücksichtigte Bewerber oder Fragen und Verhalten im Bewerbungsgespräch können diskriminierend sein und teuer werden.


Es haben sich „am Markt“ mittlerweile auch sog. „AGG-Hopper“ herausgebildet, die die Stellenanzeigen systematisch nach diskriminierenden Formulierungen durchforsten, um ihr Einkommen durch Entschädigungszahlungen aufzubessern. Das Gesetz hilft ihnen dabei, da es zugunsten der benachteiligten Person eine Beweislastumkehr vorsieht. Kann der Bewerber beispielsweise durch Vorlage einer Stellenanzeige Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines der durch das AGG geschützten Gründe vermuten lassen, muss der Arbeitgeber nun beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Es reicht dann nicht aus, dass der Arbeitgeber andere Eigenschaften des abgelehnten Bewerbers benennt, die dessen Einstellung sowieso entgegenstanden.


Vor dem Hintergrund der Folgen, die ein unabsichtlicher Verstoß gegen das AGG haben kann, sollte eine professionelle Begleitung angedacht werden.


War unter den Bewerbungen eine vielversprechende dabei, ist es üblich, dass sich der Bewerber auf Aufforderung des Landwirtschaftsbetriebs persönlich vorstellt. Nicht viele Arbeitgeber wissen, dass der Bewerber in diesem Fall Anspruch auf die Erstattung der Vorstellungskosten hat, die er nach den Umständen für erforderlich halten durfte. Kommt der Bewerber von auswärts, kann an Fahrtkosten und ggf. Verpflegungsmehrkosten eine kleine Summe zusammenkommen.


Ist man sich mit dem Bewerber einig, wird ein Arbeitsvertrag geschlossen. Idealerweise hat der Landwirtschaftsbetrieb schon vorher einen Musterarbeitsvertrag erarbeitet, der den eigenen Bedürfnissen im Rahmen des Zulässigen gerecht wird.


In der Vergangenheit war es in der Landwirtschaft mitunter so, dass viele Mitarbeiter nach der Lehre übernommen wurden und bis heute als treue und geschätzte Arbeitskraft im Betrieb verblieben sind. Sie arbeiten teilweise seit 20 oder 30 Jahren im Betrieb, ohne dass jemals ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Die Vergütung, Zuschläge und der Urlaub sind immer mündlich vereinbart worden.


Damit ein wirksamer Arbeitsvertrag vorliegt, muss er nicht schriftlich geschlossen werden. Es ist demnach für die Mitarbeiter des Betriebs nicht nachteilig, dass kein unterschriebener Arbeitsvertrag in der Schublade liegt. Für alle Belange, in denen der Betrieb und der Mitarbeiter keine Vereinbarung getroffen haben bzw. für die ohne schriftlichen Arbeitsvertrag im Streitfall keine Vereinbarung beweisbar ist, gelten zum Schutz des Arbeitnehmers die Gesetze des Arbeitsrechts. Möchte der Landwirtschaftsbetrieb jedoch Regelungen treffen, die vom Gesetz abweichen, sollte dies schriftlich erfolgen. Durch eine vorherige schriftliche Erklärung kann der Arbeitgeber auch verhindern, dass die wiederholte Zahlung von Prämien und Zulagen zu einer betrieblichen Übung wird, auf der Arbeitnehmer fortan auch gegen den Willen des Betriebs einen vertraglichen Anspruch hat.


Die wenigstens Arbeitgeber kennen das Nachweisgesetz. Dieses verpflichtet sie, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann, eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit, die vereinbarte Arbeitszeit, die Kündigungsfristen und die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs aufzunehmen. Zudem ist wenigstens ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, zu geben. Die Anforderungen des Nachweisgesetzes werden in der Regel durch den Abschluss eines Arbeitsvertrags erfüllt.


Ändern sich die wesentlichen Vertragsbedingungen im Laufe des Arbeitsverhältnisses, muss der Arbeitgeber dies dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach der Änderung schriftlich mitteilen. Dies bedeutet, dass eine Lohnerhöhung mindestens schriftlich mitgeteilt werden muss, wenn es zuvor keinen schriftlichen Arbeitsvertrag gab.


Das Nachweisgesetz sieht keine direkte Sanktion vor, wenn der Arbeitgeber die Pflichten nicht erfüllt. Der Arbeitgeber begeht hierdurch keine Straftat und auch keine Ordnungswidrigkeit. Er macht sich aber unter Umständen schadensersatzpflichtig, wenn der Arbeitnehmer mangels Mitteilung beispielsweise eine tarifliche Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Ansprüchen versäumt.


Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Arbeitgeber bereits dann Pflichten ausgesetzt sind, bevor der Arbeitnehmer den sprichwörtlich ersten Spatenstich vollbracht hat. Der ist im Vorfeld gut beratene Betrieb ist dann oft besser beraten.


Constanze Nehls
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Agrarrecht
Fachanwältin für Arbeitsrecht
BTR Rechtsanwälte