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Anmerkung zum Urteil BGH vom 06.11.2020, Az.: LwZR 5/19


veröffentlicht am: 17. März 2021

Der Bundesgerichtshof fügt mit seinem Urteil vom 06.11.2020 seinen Leitentscheidungen zur Schriftform von Verträgen eine weitere hinzu. Wenn man die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verfolgt hat, stand das Urteil in dieser Form jedoch zu erwarten.


Damit ein im Sinne des § 585a BGB schriftlicher Landpachtvertrag vorliegt, müssen sich die vereinbarten wesentlichen Vertragsbedingungen aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Vertragsurkunde ergeben. Die maßgebliche Frage in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt war, wie die Unter­zeichnung beschaffen sein muss, wenn eine Vertragspartei eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist. Die Richter weichen in ihrem Urteil nicht in ihrer Linie ab, wonach bei der Beurteilung der Schriftform das Aussehen der Urkunde deren Inhalt „schlägt“. In aller Deutlichkeit weisen die Richter darauf hin, dass es für die Schriftform nicht darauf ankommt, durch welche und wie viele Gesellschafter die GbR rechtlich tatsächlich vertreten wird, mithin, ob es überhaupt einen wirksamen Vertragsschluss gegeben hat. Allein entscheidend sei die Optik der Vertragsurkunde, also ihre äußere Erscheinungsform. Die Schriftform sei nur gewahrt, wenn die Vertragsurkunde vollständig wirke. Dies sei dann der Fall, wenn sie so aussieht, als wäre sie mit den vorhandenen Unterschriften wirksam zustande gekommen. Gibt die Gestaltung der Vertragsurkunde allerdings Anlass zur Annahme, dass für einen wirksamen Vertragsabschluss weitere Unterschriften geleistet werden müssen, soll die Schriftform nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht eingehalten sein.


Für die Optik der Vertragsurkunde gibt es keine allgemeingültigen Maßstäbe. Es kommt vielmehr auf den berühmten Einzelfall sowie auf die Rechtsnatur der betreffenden Vertragspartei an.


Die GbR besteht per Gesetz grundsätzlich aus mindestens zwei Gesellschaftern, die die Gesellschaft nur gemeinsam vertreten können. Ist der Vertrag nur von einem Gesellschafter unterschrieben worden, ist es daher zunächst offenkundig, dass mindestens eine Unterschrift fehlt. Die Vertragsurkunde wirkt dann unvollständig, so dass es an der Schriftform fehlt. Nach der Rechtsprechung soll dies jedoch dann nicht gelten, wenn der unterschreibende Gesellschafter in irgendeiner Form verdeutlicht, dass der Vertrag bereits nur mit seiner Unterschrift wirksam sein soll. Dies kann dergestalt geschehen, dass der unterschreibende Gesellschafter neben seine Unterschrift einen Zusatz dahingehend setzt, dass seine Unterschrift zusätzlich für den oder die weiteren Gesellschafter gilt.


Der Bundesgerichtshof legt diese strengen Maßstäbe bei einer GmbH oder Aktiengesellschaft als Vertragspartei allerdings nicht an. Zum Gewerbemietrecht, das das Erfordernis der Schriftform ebenfalls kennt, hat er in dem Verfahren XII ZR 55/14 beispielsweise am 22.04.2015 über folgenden Sachverhalt entschieden: Das Vertragsrubrum des mit einer Aktiengesellschaft abgeschlossenen Mietvertrags enthielt keine Angaben über die Vertretungsregelung der Gesellschaft, sondern wies lediglich darauf hin, dass die Gesellschaft durch den Vorstand vertreten werde. Der Mietvertrag war sodann nur durch ein Vorstands­mitglied unterzeichnet. Einen Vertretungszusatz oder einen ähnlichen, die Vertretung erklärenden Zusatz gab es nicht.


Der Bundesgerichtshof hat die Schriftform bei dieser Sachlage für gegeben gehalten. Nach Ansicht der Richter haben keine Zweifel daran entstehen können, ob das unterzeichnende Vorstandsmitglied nur für sich oder auch für weitere Vorstandsmitglieder unterschreiben wolle. Die Richter haben darauf hingewiesen, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft nach dem Gesetz aus einer oder mehreren Personen bestehen könne. Selbst wenn der Vorstand aus mehreren Personen besteht, könne die Satzung der Aktiengesellschaft einzelnen Vorstandsmitgliedern eine Einzelvertretungs-berechtigung einräumen. In einem solchen Fall stehe der Wahrung der Schriftform das Fehlen eines Vertretungszusatzes nicht entgegen. Denn da der Vorstand nicht selbst Vertragspartei war, könne seine Unterschrift nur bedeuten, dass er die im Rubrum des Vertrags als Mieterin genannte Aktiengesellschaft allein vertreten wollte.


Der BGH weist in dem hier besprochenen Urteil vom 06.11.2020 – allerdings ohne weitere Erklärung – darauf hin, dass diese Rechtsprechung zur Aktiengesellschaft auf eine GbR nicht übertragbar sei. Unterschreibe nur ein GbR-Gesellschafter, bedürfe es eines Zusatzes, aus dem sich ergibt, dass der Unterzeichner die alleinige Vertretung der GbR für sich in Anspruch nimmt.


Wie dieser Zusatz auch aussehen kann, hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 23.01.2013, Az.: XII ZR 35/11, ausgeführt. Danach reiche es für die Schriftform auch aus, wenn der unterschreibende Gesellschafter den vom Geschäftsinhaber autorisierten Firmenstempel zu seiner Unterschrift hinzusetzt. Die Richter haben seinerzeit festgestellt, dass das Hinzusetzen eines Stempels zu einer Unterschrift denjenigen, der die Unterschrift geleistet hat, als unterschriftsberechtigt für den Stempelaussteller ausweise. Hintergrund sei, dass der Geschäftsverkehr dem Firmen- oder Betriebsstempel eine Legitimationswirkung beimesse. Die Abgabe einer unterschriebenen und mit Stempelzusatz abgeschlossenen Erklärung dokumentiere – im Hinblick auf die insoweit relevante äußere Form – mit der geleisteten Unterschrift hinsichtlich dieses Geschäfts zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigt zu sein und in diesem Sinne handeln zu wollen. Eine so in den Verkehr gegebene Erklärung werfe keinen Zweifel an ihrer Vollständigkeit auf und erfülle daher die Schriftform.


Bei der Verwendung des Firmenstempels ist jedoch Vorsicht geboten. Der BGH hat in seinem Urteil vom 26.02.2020, Az.: XII ZR 51/19, über eine Fallgestaltung im Gewerbemietrecht entschieden. Das Vertragsrubrum wies eine GmbH als Mieterin aus. In dem Vertrag stand, dass die Mieterin durch zwei gesamtvertretungs­berechtigte Geschäftsführer vertreten werde. Die Unterschriftsleiste sah für jeden der beiden Geschäftsführer jeweils eine mit dem jeweiligen Namen beschriftete Zeile vor. Unterschrieben hatte die Vertragsurkunde sodann nur einer der Geschäftsführer nebst Hinzusetzung eines Firmenstempels. Die weitere Unterschriftszeile blieb leer. Nach Ansicht der Richter konnte der Stempelzusatz auf dieser Urkunde nicht so verstanden werden, dass der Unterzeichner mit der geleisteten Unterschrift zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigt sei oder dass er mit seiner Unterschrift zugleich den im Rubrum genannten weiteren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer vertreten wollte. Die Urkunde sei nach ihrem äußeren Anschein nicht vollständig. Prägend sei das zweite Unterschriftsfeld mit der maschinenschriftlichen Namensangabe des zweiten Geschäftsführers, welches zur Unterzeichnung durch diesen vorgesehen und leer geblieben war. Zudem habe sich auch kein Hinweis – etwa in Form eines Vertretungszusatzes für den zweiten Geschäftsführer, in Form einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die bereits geleistete Unterschrift oder in Form einer Durchstreichung dieses Unterschriftsfelds – darauf gefunden, dass der Vertragsschluss mit der einen geleisteten Unterschrift für die Mieterseite bereits vollständig vollzogen sein sollte. Für den Bundesgerichtshof erweckte die Urkunde einen nachvollziehbar unvollständigen Eindruck, so dass er das Schriftformerfordernis in jedem Fall als nicht gewahrt ansah.


Constanze Nehls
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Agrarrecht
Fachanwältin für Arbeitsrecht
BTR Rechtsanwälte