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Wann das „Kleingedruckte“ wichtig wird


veröffentlicht am: 09. August 2021

Das OLG Braunschweig befasst sich in seinem Beschluss mit der Frage, wann eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung im Bereich der Erntelagerung vorliegt, die den Versicherer aus einem Landwirt­schafts­betriebs-Versicherungsvertrags zur teilweisen Leistungskürzung berechtigt. Die Richter geben zudem Hinweise, unter welchen Voraussetzungen Klauseln mit Obliegenheitspflichten des Versicherungsnehmers als Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam sein können.


OLG Braunschweig, Beschluss vom 29.09.2020 – 11 U 68/19


Der Sachverhalt

Der Kläger ist Inhaber eines Landwirtschaftsbetriebs. Er hat mit der Beklagten einen Vertrag über eine Landwirtschaftsbetriebs-Versicherung geschlossen. In den Versicherungsschutz sind die zum Land­wirtschaftsbetrieb gehörenden Gebäude des Klägers sowie deren Inhalt einbezogen.


Für den Versicherungsvertrag galten die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung landwirtschaftlicher Betriebe – Wirtschaftsgebäude und deren Inhalt sowie Wohngebäude (ABL 2008) sowie die Besonderen Bestimmungen zu den ABL 2008. Danach durfte getrocknetes Erntegut nur so gelagert werden, dass jeder Punkt des Stapels mit einem Messgerät kontrolliert werden kann. Zudem mussten ständige Kontrollen auf Selbstentzündung vorgenommen werden.


Der Kläger lagerte auf seinem Hof in einer Halle 3.100 Heuballen. Die Lagerung entsprach nicht den vorgenannten Versicherungsbedingungen. Stattdessen überlappten die Heuballen einander teilweise, so dass lediglich lagerungsbedingte Zwischenräume zwischen den Ballen bestanden. Es waren nur die obersten Ballen der aus jeweils 9 bis 12 Ballen stehenden Türme zu sehen. Begehbare Gänge zwischen den Ballenstapeln gab es nicht. Die Überprüfung jedes einzelnen Ballens war nach der Einlagerung unstreitig nicht mehr möglich.


Es kam sodann in der Lagerhalle zu einem Brandereignis. Dieses zerstörte sowohl die Halle als auch die darin gelagerten Heuballen. Dem Kläger entstand ein Gesamtschaden in Höhe von ca. 440.000,00 EUR. Er ist der Auffassung, dass das Feuer durch Brandstiftung entstanden ist.


Die Beklagte regulierte den Schaden des Klägers zu 80 %. Sie begründete die Leistungskürzung damit, dass der Kläger mit seiner Art der Erntelagerung gegen die Versicherungsbedingungen verstoßen hat. Durch die von ihm gewählte Lagerung sei eine den Versicherungsbedingungen entsprechende Überprüfung der Ballen auf Selbstentzündung nicht mehr möglich gewesen. Hierbei handele es sich um eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Danach ist der Versicherer im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.


Der Kläger zeigte sich mit der Leistungskürzung nicht einverstanden. Er erhob gegen die Beklagte vor dem Landgericht Braunschweig Zahlungsklage im Hinblick auf den nicht regulierten Schaden. Nach seiner Ansicht ist eine Selbstentzündung der gelagerten Heuballen ausgeschlossen. Der Feuchtigkeitsgehalt jedes Ballens sei vor der Einlagerung geprüft worden. Er habe zwischen 9 % und 14 % gelegen. Auch sei die Temperatur jedes Ballens gemessen worden und habe unter 22˚C gelegen. Nach der Einlagerung sei das Erntegut ständigen Sicht- und Geruchsproben sowie stichprobenartigen Feuchtigkeitsmessungen unterzogen worden. Für diese Tatsache benannte er den G als Zeugen. Das Landgericht Braunschweig führte im erstinstanzlichen Verfahren daraufhin eine Zeugenvernehmung des G durch.


Das Landgericht Braunschweig beauftragte zudem den Sachverständigen H mit der Ermittlung der Brandursache. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Brand in der Halle durch eine Selbstentzündung der Heuballen entstanden ist.


Das Landgericht Braunschweig hat die Klage des Klägers abgewiesen. Es schloss sich der Bewertung des Sachverständigen H an, wonach eine Selbstentzündung den Brand verursacht hat. Zu Begründung der Klageabweisung führte das Gericht aus, dass die von der Beklagten vorgenommene Leistungskürzung nicht zu beanstanden sei, da der Kläger die Einhaltung der ihm obliegenden vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften grob fahrlässig nicht beachtet und dies zum Eintritt des Versicherungsfalls beigetragen hat. Der Verstoß gegen die Lagerungs- und Prüfobliegenheit des Klägers sei objektiv und subjektiv als grob fahrlässig einzustufen. Gerade bei Heuballen bestehe aufgrund der Tätigkeit von im Heu aktiven Bakterien und Pilzen ab einem Feuchtigkeitsgrad von 16% die Gefahr, dass es zu einer Erwärmung komme, die schließlich zu einer Selbstentzündung des Heus führen könne. Dieses erhebliche Risiko sei dem Kläger bekannt gewesen. Insbesondere bei den Mengen an gelagerten Heuballen, die sich in der Scheune befunden hätten und der Nähe der Scheune zu benachbarten Gebäuden habe für den Kläger damit eine umfassende Sicherungspflicht bestanden, um eine Entzündung der Ballen und damit eine massive Sach- und Personengefährdung zu vermeiden. Diese Sicherungspflicht habe der Kläger in ungewöhnlich großem Maße dadurch verletzt, dass er die Temperatur und den Feuchtigkeitsgehalt der eingelagerten Ballen schon lagerungsbedingt nicht habe in ausreichendem Maße überprüfen können.


Das Landgericht Braunschweig vertrat zudem die Auffassung, dass der Kläger nicht bewiesen hat, dass er seine Sicherungspflicht nicht grob fahrlässig verletzt hat. Die Vernehmung des G als Zeugen habe nicht belegt, dass der Kläger die Heuballen im Vorfeld bereits so umfassend kontrolliert hat, dass sichergestellt war, dass jeder einzelne Ballen unter der für eine Selbstentzündung erforderlichen Temperatur und Feuchte gelegen hat. Der Zeuge G habe nicht bestätigt, dass tatsächlich jeder einzelne Ballen vor der Einlagerung geprüft worden ist. Die vom Sachverständigen H ermittelte Selbstentzündung als Brandursache schließe zudem aus, dass jeder einzelne Ballen ordnungsgemäß auf seinen Feuchtigkeitsgehalt und seine Temperatur hin überprüft worden sei.
Auch die vom Kläger und Zeugen G vorgenommenen Sicht- und Geruchsproben sowie stichprobenartigen Feuchtigkeitsmessungen seien nicht zur umfassenden Sicherung der Ballen geeignet gewesen. Die beschriebenen Kontrollen hätten nur einen Bruchteil der eingelagerten abdecken können, da durch die Art der Lagerung nur die obersten Ballen der Heutürme zu sehen gewesen seien. Die unteren Schichten konnten weder eingesehen noch mit einem Messgerät kontrolliert werden.


Da die grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung des Klägers für den entstandenen Schaden kausal gewesen sei, sei die von der Beklagten vorgenommene Leistungskürzung um 20% angesichts des Ausmaßes der Pflichtverletzung des Klägers angemessen.


Der Kläger hat gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig Berufung eingelegt. Er begründete die Berufung u. a. damit, dass die Allgemeinen Bedingungen zu den ABL 2008 und die Allgemeinen Bedingungen zur Sachversicherung hinsichtlich der Einlagerung von getrocknetem Erntegut gegen die Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB verstoßen, indem sie den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen. Ein Versicherungsnehmer würde, wenn er das Erntegut so wie in den ABL vorgeschrieben, einlagern würde, in erheblicher Weise gegen die Unfallverhütungsvorschriften der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau verstoßen. Danach müssen Ballenlager so errichtet werden, dass Versicherte nicht durch umstürzende oder herabfallende Ballen gefährdet werden.


Der Kläger beantragte daher weiterhin, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Braunschweig zur restlichen Schadensregulierung zu verurteilen. Die Beklagte beantragte, die Berufung zurückzuweisen.


Der Beschluss

Das OLG Braunschweig beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss als unbegründet zurückzuweisen. Nach dieser Vorschrift soll das Berufungsgericht die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.


Die Richter des OLG Braunschweig sind der Auffassung, dass die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Regulierung der restlichen Schadenssumme. Nach den Ausführungen der Richter handelt es bei dem streitgegenständlichen Brandereignis zunächst um einen Versicherungsfall, aufgrund dessen die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, aufgrund der entstandenen Schäden Leistungen aus der Gebäude- und Inhaltsversicherung zu erbringen.


Die Richter sind jedoch der Auffassung, dass die Beklagte ihre Leistung zu Recht um 20% gekürzt hat, weil der Kläger eine vertragliche Obliegenheit grob fahrlässig verletzt hat. Sie führten aus, dass vertragliche Obliegenheiten eine ausdrückliche Regelung voraussetzen, aufgrund derer der Versicherungsnehmer klar und eindeutig erkennen kann, welches Tun oder Unterlassen von ihm im Einzelfall verlangt wird. Ein allgemeines Gebot, sich sorgfältig zu verhalten, genüge dem Bestimmtheitsgebot nicht. Im vorliegenden Fall haben die Parteien u.a. vereinbart, dass getrocknetes Erntegut ordnungsgemäß eingelagert und ständig durch ein geeignetes Messgerät auf Selbstentzündung hin überprüft werden müsse. Heustapel seien danach so anzulegen, dass jeder Punkt des Stapels mit einem Messgerät kontrolliert werden könne. Dies sei unstreitig nicht erfolgt.


Nach Ansicht des OLG Braunschweig hat der Kläger nicht bewiesen, dass er die Obliegenheitsverletzung nicht grob fahrlässig begangen hat. Unter grober Fahrlässigkeit sei ein Handeln zu verstehen, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseitegeschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handele es sich um eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung. Die Verletzung einer konkretisierten Obliegenheit sei regelmäßig objektiv grob fahrlässig, wenn der Versicherungsnehmer weiß, dass ihm ein bestimmtes Verhalten aufgegeben ist, und gemessen an den objektiven Umständen der jeweiligen Situation erwartet werden muss, dass ein Versicherungsnehmer sich obliegenheitsgemäß verhält. Die Richter wiesen darauf hin, dass der Kläger im vorliegenden Fall die Heuballen entgegen der vertraglich vereinbarten Obliegenheit grob fahrlässig so gestapelt habe, dass diese gerade nicht in vollem Umfang einer ständigen Überprüfung auf Feuchtigkeit und Temperatur zugänglich waren. Nach den Ausführungen des Sachverständigen H sei Heuselbstentzündung die häufigste biologische Brandursache. Danach könne es im Erntegut unter bestimmten Bedingungen zu Selbsterwärmungsprozessen kommen. Entscheidend hierfür sei ein Feuchtigkeitsgehalt des Ernteguts von mehr als 16 %, das Vorhandensein von Mikroorganismen wie Pilzen und Bakterien und eine starke Verdichtung bzw. Pressung des Heus. Unter diesen Voraussetzungen können Prozesse einsetzen, die im Ergebnis zu einer Entzündung des Heustocks führen können. Vor diesem Hintergrund seien regelmäßige und engmaschige Temperaturmessungen im Heu auch nach der Einlagerung, wie auch der Sachverständige ausdrücklich betont, unbedingt erforderlich. Werden Heuballen hingegen dergestalt gelagert, dass eine derartige engmaschige Überprüfung aller Ballen nicht möglich sei, handelt es sich angesichts der von einer Selbstentzündung ausgehenden Gefahren um eine Sorgfaltspflichtverletzung in ungewöhnlich hohem Maße, die angesichts der Erkennbarkeit des damit verbundenen Risikos – auch und gerade für den Kläger – in subjektiver Hinsicht unentschuldbar ist.


Das OLG Braunschweig ist der Auffassung, dass der Annahme der groben Fahrlässigkeit nicht der Vortrag des Klägers entgegen steht, vor der Einlagerung der Ballen seien diese einzeln überprüft worden, ob sowohl Feuchtigkeit als auch Temperatur jeweils unterhalb des für eine Selbstentzündung kritischen Werts gelegen hätten.
Unabhängig davon, ob diese Verfahrensweise tatsächlich das Eintreten von Selbsterwärmungsprozessen nach der Einlagerung der Heuballen ausschließt, was der Sachverständige H bezweifelt habe, konnte der erstinstanzlich vernommene Zeuge G eine derartige Form der Einlagerung nach Maßstab der Richter gerade nicht bestätigen sondern nur eine Aussage hinsichtlich der von ihm selbst eingelagerten Ballen zu treffen. Da die Ballen jedoch nicht allein von ihm, sondern auch vom Kläger eingelagert worden seien und weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass der Zeuge G bei der Prüfung jedes Ballens zugegen war, sei insoweit bereits nicht mit hinlänglicher Sicherheit feststellbar, dass auch tatsächlich jeder einzelne Ballen in der vom Kläger dargestellten Weise geprüft worden sei.


Das OLG Braunschweig ist zudem der Auffassung, dass die in den Besonderen Bestimmungen zu den ABL 2008 vertraglich vereinbarte Obliegenheit zur Lagerung des Ernteguts einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält. Die Richter wiesen darauf hin, dass nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine Klausel sei dabei unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Verwender die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nimmt und eigene Interessen missbräuchlich auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Eine derartige unangemessene Benachteiligung sei nach richterlicher Ansicht im Zweifel dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werden soll, nicht zu vereinbaren ist.
Die Richter sahen im vorliegenden Fall keine derartige Abweichung. Diese ergebe sich insbesondere nicht aus einem vom Kläger angenommenen Widerspruch mit der „Unfallverhütungsvorschrift Lagerstätten“ der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Denn durch die in den Besonderen Bestimmungen zu den ABL 2008 beschriebene Obliegenheit des Versicherungsnehmers soll gerade nicht von dem sich aus „Unfallverhütungsvorschrift Lagerstätten“ ergebenden Grundgedanken abgewichen werden. Beide Regelungen dienen, wenn auch mit unterschiedlicher Zielrichtung, dem Schutz vor Gefahren im Zusammenhang mit der Einlagerung von Erntegut. Eine Modifikation der Unfallverhütungsvorschrift soll, wie sich ausdrücklich aus den Allgemeinen Bestimmungen zur Sachversicherung ergibt, durch die versicherungsvertraglich vereinbarten Obliegenheiten gerade nicht erfolgen. Vielmehr stehen beide Regelungen nach Ansicht der Richter grundsätzlich selbständig nebeneinander.


Die vom Kläger beanstandete Versicherungsklausel hält nach dem OLG Braunschweig auch einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB stand. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zweifel als unangemessene Benachteiligung anzusehen, wenn sie wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränken, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB erfasse jedoch nicht jede Begrenzung von Rechten und Pflichten. Unzulässig sei die Begrenzung erst dann, wenn sie den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht.


Dies sehen die Richter des OLG Braunschweig als nicht gegeben an. Die dem Versicherungsnehmer auferlegte Obliegenheit schränke dessen Rechte innerhalb des Vertragsverhältnisses nicht über Gebühr ein. Sie diene im Ergebnis vielmehr dem legitimen Interesse beider Vertragsparteien, den Eintritt eines Versicherungsfalls zu vermeiden, ohne dass dadurch der Versicherungsvertrag zur leeren Hülle würde, da die Pflicht des Versicherers, im Versicherungsfall die vereinbarten Leistungen zu erbringen, dadurch nicht berührt wird.


Weiterhin sieht das OLG Braunschweig auch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht verletzt. Das Transparenzgebot verlange vom Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Eine Klausel müsse nicht nur in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner verständlich sein, sondern darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Das Transparenzgebot verlange ferner, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen führen, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann könne er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht. Allgemeine Versicherungsbedingungen seien hierbei so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei komme es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie sei vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln seien zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.


Auf dieser Grundlage konnten die Richter keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot erkennen. Die dem Versicherungsnehmer auferlegte Obliegenheit sei hinreichend klar und bestimmt bezeichnet. Die Aufgaben, die er wahrzunehmen hat, um der Gefahr einer Heuselbstentzündung entgegenzuwirken, seien verständlich und klar bezeichnet, wobei dem Versicherungsnehmer auch unmittelbar im Anschluss an die vertraglich vereinbarten Obliegenheiten der Besonderen Bestimmungen zu den ABL 2008 verdeutlicht wird, dass eine Verletzung der Obliegenheiten u.a. dazu führen kann, dass der Versicherer ganz oder teilweise leistungsfrei wird. Für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei damit deutlich erkennbar, welches Verhalten von ihm verlangt wird und welche etwaigen Folgen ein Verstoß gegen diese Verhaltensregeln mit sich bringen kann.


Letztlich sahen die Richter des OLG Braunschweig in der beanstandeten Klausel auch die Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als nicht verletzt. Nach der Generalklausel ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres sei der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Dabei könne sich die unangemessene Benachteiligung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben.


Die Richter führten aus, dass eine unangemessene Benachteiligung des Klägers nicht dadurch vorliegt, dass ihm als Versicherungsnehmer ein bestimmtes Verfahren zur Kontrolle des von ihm eingelagerten Ernteguts vorgeschrieben wird. Bei der Prüfung einer etwaigen Unangemessenheit einer Klausel dürfe nicht auf den Einzelfall abgestellt werden. Vielmehr orientiere sich die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen an einer abstrakt-generellen und typisierenden Betrachtung. Der Sachverständige H habe darauf hingewiesen, dass Selbsterwärmungsprozesse auch nach Durchführung der vom Kläger beschriebenen Einlagerungsmaßnahmen zwar unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich auszuschließen seien. Darüber hinaus seien auch Vorgänge der Selbsterhitzung beispielsweise durch Eintritt von Regenwasser möglich. Vor diesem Hintergrund seien auch nach Einlagerung regelmäßige und engmaschige Temperaturmessungen im Heu unbedingt erforderlich. Insoweit stelle die hier streitgegenständliche Klausel vor allen anderen möglichen Maßnahmen am ehesten sicher, dass die Gefahr einer Selbstentzündung eingelagerten Ernteguts so weit wie möglich minimiert wird. Dass dieses auch im Interesse des Versicherungsnehmers liege, liegt auf der Hand, so dass insoweit bereits nicht erkennbar sei, dass der Versicherer durch die Verwendung dieser Klausel sein Interesse einseitig auf Kosten des Versicherungsnehmers durchzusetzen versucht.


Der Umstand, dass die vom Versicherer geforderte Anlegung von Heustapeln dergestalt, dass jeder Punkt des Stapels mit einem Messgerät überprüft werden kann, dazu führen könne, dass der Versicherungsnehmer womöglich den ihm zur Verfügung stehenden Platz innerhalb einer Halle nicht wirtschaftlich bestmöglich ausnutzen könne und ihn im Übrigen besondere Erschwernisse bei der Einlagerung treffen, begründe angesichts der von einer Heuselbstentzündung ausgehenden Gefahren keine unangemessene Benachteiligung.


Beschlussanmerkungen

von Rechtsanwältin Constanze Nehls, Fachanwältin für Agrarrecht Fachanwältin für Arbeitsrecht, BTR Rechtsanwälte


Für Versicherungsnehmer ist die Kenntnis der Versicherungsbedingungen wichtig. Sie sollten die Versicherungsunterlagen daher genau lesen, um zu wissen, welche (Mitwirkungs-)pflichten von ihnen erwartet werden. Dies gilt umso vor dem Hintergrund, dass die Versicherung ihre Leistung nicht nur kürzen, sondern sogar komplett von der Leistung befreit werden kann, wenn der Versicherungsnehmer eine vertragliche Obliegenheit vorsätzlich verletzt. Zugegebenermaßen laden der Umfang der Versicherungsunterlagen und die Art ihrer Formulierung den Versicherungsnehmer nicht unbedingt ein, sich eingehend damit zu beschäftigen. Nicht wenige Versicherungsnehmer werden den Versicherungsvertrag unterschreiben und die Unterlagen mehr oder weniger ungelesen abheften. Dass dies teuer werden kann, zeigt der Beschluss des OLG Braunschweig.


Selbst wenn der Versicherungsnehmer Kenntnis von seinen vertraglichen Obliegenheiten hat und diesen auch nachkommt, sollte er immer darauf achten, dies auch zu dokumentieren. Bei einem Schadensereignis ist er gehalten, die Einhaltung nachzuweisen, wenn die Versicherung dies bestreitet.